Weihnachten ist heuer ganz anders. Viele von uns erinnern sich gern an vergangene Tage – und erhaschen dabei vielleicht einen anderen Blick auf die Heilige Nacht.
Es war einmal, da gab es weiße Weihnachten; nicht nur in den Bergen, auch in Euerfeld. Mag es in den letzten Jahrzehnten eher ein seltenes Ereignis gewesen sein, Winter mit reichllich Schnee, die gab es immer wieder. Es war einmal… da konnte man mit dem Auto nicht nach Bibergau fahren, weil die Straße mit Schnee zugeweht war. Es war einmal… dass die Schneewehen so tief waren, dass unsere Kinder beim Hinspringen darin versanken. Es war einmal… dass es wochenlang am Morgen hieß: Schnee schippen. Es war einmal… das sind Erinnerungen an Schneemänner, Schneeburgen, Schneelöcher, Schneeballschlachten. Es war einmal…davon zeugen auch die Schneebilder im Kopfbereich der Startseite von euerfeld.de.
Es war einmal… und das ist noch nicht so lange her wie die letzte weiße Weihnacht, da besuchten wir am Heiligen Abend die überfüllte Christmetten mit dem andächtig gesungenen Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ am Ende. Es war einmal… da umarmten wir uns nach dem nächtlichen Gottesdienst, riefen jedem „Schöne Weihnachten“ zu und standen lange beieinander. Es war einmal… da trafen sich die Familien im großen Kreis bei gutem Essen und froher Laune.
Es war einmal… und in diesem Jahr? An diesem Weihnachtsfest ist vieles anders. Keine überfüllten Christmetten, keine gemeinsam gesungenes „Stille Nacht, Heilige Nacht“ in der Kirche, keine großen Familienfeiern. Wir denken mit Wehmut daran, wie es früher war. Wie schön, wie heimelig. Wir wollen wieder unser „normales Leben“ zurück. Weihnachten am liebsten so, wie wir es kennen, am liebsten wären uns gar weiße Weihnacht.
Es war einmal… Da zog eine hochschwangere Frau mit ihrem Mann durch Bethlehem. Die Frau spürte, dass die Geburt nahe war, hatte vielleicht sogar schon Wehen. Doch die beiden hatten kein Dach über dem Kopf, keine Familie, die sie aufnahm, keinen festlichen geschmückten Tisch. Nein, sie zogen von Tür zu Tür und suchten nach einem Quartier für die Nacht. Einen halbwegs geschützten Ort für eine Geburt. In einem Stall schließlich kamen sie unter. Wer schon einmal in der Geburtsgrotte in Bethlehem war, der kann erahnen, was es bedeutet, an diesem unwirtlichen Ort ein Kind zu gebären.
Und doch, trotz all der widrigen Umstände, berichtet die Bibel nirgendwo, dass die beiden sich beklagt hätten, gejammert oder geschimpft. Sie nahmen das, was sie bekommen konnten, in dieser denkwürdigen Nacht, die wir heute als „die Heilige“ feiern. Und in diesem Annehmen des Lebens, wie es gerade ist, eröffnete sich ihnen die Chance, beschenkt zu werden. Beschenkt mit der Geburt eines Sohnes, der unser Heiland ist, beschenkt mit Engelschören, die mitten in der Nacht von seiner Geburt zu kündeten, beschenkt mit dem Besuch von Hirten, die kamen, um zu sehen, welches Wunder sich in dem Stall vollzogen hatte.
Vielleicht bietet uns dieses merkwürdige Weihnachten in diesem merkwürdigen Jahr 2020 die Chance, unsere Erwartungen an das Leben einmal genauer anzusehen. Das, was wir als unser Recht betrachten, das, was wir als „normal“ betrachten, ist möglicherweise nicht so normal, wie wir glauben. Ein kleiner Virus zwingt uns alle auf die Knie.
Wenn wir in diesen Tagen auf das blicken, wie das erste Weihnachten in Bethlehem war, könnten wir auch dankbar dafür sein für all die Segnungen, die uns geschenkt sind. Gerade heuer. Wir haben alle ein Dach über dem Kopf, wir haben einen reich gedeckt Gabentisch und an Essen fehlt es in Euerfeld niemanden. Für mich gibt es so trotz allem viele Gründe, dankbar zu sein. Und diese Dankbarkeit kann Türen öffnen. Auch eine Tür, um die wirkliche Botschaft der Weihnacht zu verstehen. Denn ein dankbares Herz ist still, weit und offen. Offen für die Segnungen des Lebens. Und offen für die Botschaft, die die Engel in Bethlehem verkündet haben: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe / und auf Erden ist Friede / bei den Menschen seiner Gnade.“